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2012/11/28

Facebook und die Stups-Kultur

Facebook ist zweifelsohne das berühmteste Buch der Menschheitsgeschichte und hat die Bibel in Sachen Popularität bereits um Längen geschlagen. Während sich die halbe Welt über AGB’s, Bildrechte und Kleingedrucktes echauffiert, beschäftigt mich noch immer ein altbekanntes Thema: Das Anstupsen. Womöglich ist mein fortschreitendes Alter daran schuld, dass ich mich so schwer von gewissen eingebrannten Fragen löse. Aber ehrlich: Wozu ist dieses Anstupsen gut? Ich habe mich bei anderen Nutzern dieser Plattform erkundigt und verschiedene Antworten erhalten. Die einen meinen, anstupsen sei ein kleines und wortloses „Hallo“, das keiner Reaktion bedarf. Manche stupsen zurück, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verlieren, andere ignorieren die Stupserei ganz einfach oder ärgern sich darüber. Es gibt welche, die sich von einem Anstupser zur konkreteren Kontaktaufnahme aufgefordert fühlen. Und dann gibt es jene, die per Nachricht darauf antworten mit „warum stupst du mich an?“ Ich sehe, es wird nicht einheitlich damit umgegangen und es scheint auch keine Anstups-Knigge zu existieren. Aber so bald ich mehr als eine Option habe, mit etwas umzugehen, muss eine davon falsch sein. Facebook lässt dem Angestupsten sogar drei Möglichkeiten. Mal anschauen und nichts weiter tun, „zurückstupsen“ oder „entfernen“. Es gibt keine Alternative, keine Variation, keine Steigerung. Kein maskulines „Schulterklopfen“, kein zärtliches „Streicheln“, kein „Immer-eins-mehr-angestupst“. Anstupsen kann weder zu Intimität führen noch in einer Schlägerei ausarten. Es kann also ähnlich bedeutungsfrei sein, wie ich es gern hätte. Aber eine Sache verwirrt mich. Auf meiner persönlichen Anstupser-Seite kann ich diese Interaktionen nicht nur verwalten. Facebook zeigt mir auch Anstups-Vorschläge an. Ist das eine zufällige Auswahl an Freunden? Oder meint Facebook, dass ich mich bei eben diesen Leuten dringend mal wieder melden soll? Vielleicht, weil Facebook weiss, dass ich schon lange nicht mehr mit ihnen auf derselben Veranstaltung war? Weil ich zu selten ihr Profil besuche? Weil sie weit weg wohnen? Weil ich mal ein „Gefällt mir“ zurückgenommen oder einen Chat frühzeitig abgebrochen habe? Von mir aus kann Facebook meine Fotos über den Times Square flimmern lassen, sie als Vorher-Beispiel für Schönheitschirurgie-Werbung verwenden oder jeden meiner Eisprünge in meiner Chronik als Lebensereignis dokumentieren. Nichts davon macht mich annähernd so konfus wie das Anstupsen.

2012/10/17

Der ganz normale Wahnsinn

Ich verstehe mich gut mit Menschen, die sich schlecht mit dem Leben verstehen. Für mich ist es normal, an sich selbst und allem um uns herum zu zweifeln. Jeden Tag geschehen so viele Dinge, die man ganz einfach nicht glauben kann und mit denen man sich nicht abfinden will. Bei sich selbst, in der Familie, im Freundeskreis – es verbirgt sich so viel Leid und Unsicherheit in allem Tun und Lassen. Ganz zu schweigen vom Rest der Welt, deren Probleme einem stündlich um die Ohren gehauen werden wie das hundert Mal durchgeblätterte Drehbuch eines schlechten Films. So oft denke ich, dass das alles gar nicht wahr sein kann. Dann wird es Zeit, dass ich mich wieder egozentriere und die Treppe vor der kümmerlich kleinen und finsteren Behausung meines Daseins kehre, damit ich mir selbst glaube, dass zumindest von aussen alles in Ordnung zu sein scheint. So betrüge ich seit Jahren meine Angst vor dem Leben mit der Berauschung an kleinen Nichtigkeiten, die mich von dem ablenken, was mich beschäftigen sollte. Ist es Fluch oder Segen, dass dies nicht alle können? Es gibt Menschen, die die Last der ganzen Welt auf ihren Schultern tragen und dabei oft straucheln und hinfallen. Es gibt Menschen, deren innere Welt so gross ist, dass sie dem eigenen Glück jeglichen Raum raubt, den es zum Gedeihen bräuchte. Menschen, die glauben, dass sie deshalb nicht normal seien, weil weder ihr Urinstinkt noch ihre Anpassungsfähigkeit genügend ausgeprägt sind, um sich einfach nur zu fügen. Könnte es nicht sein, dass gerade diese Menschen absolut normal auf das reagieren, was um sie herum und mit ihnen geschieht? Vielleicht ist es das Material aus dem wir geschaffen sind, das uns zeigt, wie verwundbar und vergänglich wir sind und uns den Sinn des Daseins immer wieder hinterfragen lässt. Wir Menschen kommen eben nicht zur Welt wie ein Stein, der vom Wasser des Lebens geschliffen wird, bis er makellos ist. Viel eher kommen wir auf diese Welt wie ein glattes Stück Holz, das im Laufe der Jahre Kerben erhält. Schwache und tiefe. Manches an uns wird durch das Leben noch glatter und biegsamer, aber wir haben auch spröde Stellen und Risse, an denen wir manchmal zu zerbrechen drohen. Wenn die Erfahrung schmerzhaft auf uns einpeitscht wie ein Meissel, dann entdecken wir kleine Fehler und Äste im Inneren, die uns unschön erscheinen. Aber am Ende sind es genau diese Fehler, die uns durchwachsen und unsere wahre Stärke ausmachen.

2012/10/10

Das erste Mal

Kompliziert, emotional, verkrampft und ungeheuer schmerzhaft. So ist mein erstes Mal. Präsens. Das erste Mal, dass nicht ich es bin, die einen Schlussstrich unter einen Haufen Probleme und Gegensätzlichkeiten zieht und geht. Das erste Mal, dass ich verlassen werde. Ein erstes Mal, das scheinbar noch ewig dauern wird, weil ich nicht glauben kann, dass das schon alles war. Weil Herz und Verstand hinterher hinken wie die gehbehinderten Geschwister des Bewusstseins. Verlassen wird man nicht mit dem letzten Kuss, dem letzten Blick oder dem letzten Mal, wenn der rostige grüne Flitzer aus der Einfahrt auf die Strasse biegt. Verlassen wird man so lange, bis der letzte Funken Hoffnung in einem Meer von Schmerz erlischt und sich eine Eiskruste auf erkalteten Gefühlen bildet. Und so weit bin ich noch lange nicht. Es ist leichter, selber der Bösewicht zu sein, eine Beziehung zu beenden und den schwarzen Peter und die Arschkarte zu spielen. Am Ende sind dies die Trümpfe, mit denen man sich seine Freiheit erkauft. Aber mein erstes Mal gleicht keinem Spiel. Es gleicht einer Achterbahnfahrt – vom behutsamen Einstieg bis zur tränenreichen Talfahrt. Fast glaubt man, man würde mit gemeinsamen Erinnerungen die Kurve kriegen und schon wird man vom freien Fall des Verlustes in die Tiefe gerissen. Mein erstes Mal. Und niemand fragt mich hinterher, ob es schön für mich war. Ich hätte es kommen sehen sollen. Aber mein Blick war getrübt von blindem Vertrauen in eine Zukunft, die es nie gegeben hat.

2012/10/04

Touring Club Schweiz: Wir schleppen Sie auch ab!

Falschparken ist schlecht fürs Karma. Diese Erfahrung habe ich vor einiger Zeit beim mehrmaligen widerrechtlichen Abstellen meines Autos gemacht. Es war Freitagabend. Der Abend eines ersten Treffens mit einem – wie sich herausstellte hübschen und intelligenten – jungen Mann. Noch zehn Minuten bis zum Treffen und mein Auto wollte nicht anspringen. Verdammt! Zwei Wochen nachdem mich auf dem selben unseligen Parkplatz ein Rentner um „Sexspielchen“ gebeten hatte*, stand ich nun also da mit meinem unbeweglichen Altmänner-Kombi und war gezwungen, mein Treffen telefonisch abzusagen. Der junge Mann zeigte wider erwarten Verständnis und gesteigertes Interesse an Autos. Aber auch er kriegte meinen breitärschig-amerikanischen Wagen nicht in die Gänge. Unter der Bedingung, dass er mich später wieder zu meinem Auto zurückbringen würde, liess ich mich auf ein Bier mitnehmen. Ein angeregtes Gespräch später stand ich wieder auf dem Parkplatz und kontaktierte den Pannendienst meines Vertrauens: TCS. Bitte haben Sie Geduld...bis zu einer Dreiviertelstunde...warten...jaja...danke. Der junge Mann war noch immer mit von der Partie und bot mir an, im nahe gelegenen Restaurant mit mir zu warten. Getränk bestellt, kurz daran genippt – Handyklingeln. Ich bin da, wo sind Sie? Das ging ja schnell. Ich liess meine Verabredung vorübergehend im Warmen sitzen und kämpfte mich durch die Dunkelheit zum Parkplatz, wo in der Zwischenzeit ein gelbes Pannenfahrzeug vor meinem Auto positioniert worden war. Ein kahlköpfiger untersetzter TCS-Mann nahm mich in Empfang, meinte, dass alles nicht so schlimm sei, klopfte mit dem Hammer ein paar Mal an den Tank meines Fords und dieser fing wieder an zu schnurren. Fein, dankeschön! Ich deutete auf das Gebäude hinter mir. Eigentlich trink ich da gerade was. Springt mein Auto in einer halben Stunde auch noch mal an? Das werden Sie dann sehen, sonst rufen Sie mich wieder an, meinte der pausbäckige Pannenhelfer. Er füllte ein Formular aus, ich gab bereitwillig meine Personalien preis und er wurde dabei merklich netter. Ich weiss gar nicht, ob Sie meine neue Adresse schon haben, gab ich schuldbewusst zu. Ach, Sie sind umgezogen? Wo haben Sie denn vorher gewohnt? Lützelflüh. Dort ist es doch schön – warum zeiht man von da weg? Lebensumstände...Trennung...so was halt...also, meine neue Adresse... Ich diktierte, er kritzelte und schmunzelte. Eigentlich brauche ich Ihre Adresse nicht. Es sei denn, ich soll mal auf einen Kaffee bei Ihnen vorbei kommen. Zwei Glubschaugen kreuzten meinen irritierten Blick. Schon streckte er mir seine rechte Pranke entgegen...“Sämu“. Ich erwiderte reflexartig seinen Händedruck...Sarah...brauchen Sie...ehm du dann noch was von mir, oder kann ich dann wieder...? Grinsen von seiner Seite. Und wenn mein Auto nachher wieder nicht anspringt? Dann rufst du mich an. Scherzkeks, dachte ich. Ich ruf ja ohnehin bei der Zentrale an und die werden mir den zuteilen, der gerade in der Nähe ist. Ich verabschiedete mich, hörte noch sein hoffnungsvolles „Bis bald?“, als ich bereits wieder ein paar Schritte in Richtung Rendezvous gegangen war. Ich schüttelte den Kopf und fragte mich, ob ich wirklich gerade von dem Kerl angegraben worden war. War mein Outfit zu gewagt? War ich zu nett gewesen und zu freigiebig mit persönlichen Informationen umgegangen? Kann doch nicht sein. Da überweise ich brav meine Mitgliedschafts-Beiträge und wenn ich mal eine Dienstleistung in Anspruch nehme, dann wird meine Notsituation ausgenutzt? Nein, kann nicht sein. Zurück im Warmen nahm ich Platz, setzte mein Gegenüber davon in Kenntnis, dass mein Untersatz wieder fahrbar wäre und konnte mir eine Bemerkung nicht verkneifen. Ich glaube, ich wurde gerade angegraben. Nach weiterer Konversation fand ich mich einige Zeit später mit dem netten jungen Mann auf dem Parkplatz, den ich später meiden würde wie einen alten Indianerfriedhof, wieder. Was war das? Da klemmte doch ein Zettel an meiner Scheibe. Ein Zettel, der sich im fahlen Licht der Innenraum-Beleuchtung als TCS-Visitenkarte zu erkennen gab. Darauf standen eine kurze Nachricht und eine Handynummer. „Wenn’s wieder nicht geht... Sämu“. Also doch angegraben. Tatsächlich. Nachdem ich schon meinen persönlichen Körpertherapeuten, Sunrise-Berater und Busfahrer hatte, stand nun mein persönlicher Pannenhelfer scharrend auf der Matte. Igitt! Ich konnte es dann doch nicht lassen, meinem Begleiter mit der Karte vor dem Gesicht rumzuwedeln. Besagten „Sämu“ sehe ich heute noch ab und zu in der Nähe von stillstehenden Autos. Und mache einen möglichst grossen Bogen um ihn und jede weitere Panne. Allerdings scheint etwas Konkurrenz nicht zu schaden. Der junge Mann, den ich an diesem Abend zum ersten Mal traf, wurde etwas später zu meinem persönlichen...sagen wir mal „Superuser“. *Muss ich erwähnen, dass ich wütend abgelehnt und ihn fast über den Haufen gefahren habe? Nein.

2012/08/27

Byebye Moppelhausen Vol. II: Ein Leben im Speckmantel

Ich habe wieder in meiner Gedankenschublade mit den unangenehmen Dingen gekramt und bin dabei ein zweites Mal auf dasselbe zermürbende Thema gestossen. Das Körpergewicht. Und diesmal – das versprech ich euch – wird’s richtig hässlich! In den vergangenen knapp zwei Jahren sind 30 Kilo meines verhassten Übergewichts über den Jordan gegangen. Richtig – es sind immer noch nicht mehr. So fünf bis sieben müssten nämlich noch weg, damit ich mich zufrieden geben würde. Und das führt mich direkt zu einem der beiden Gründe, warum ich dringend davon abrate, sich dauerhaft mehr anzufressen als nötig ist. Dicke dieser Welt, Klopse, Schwabbel, Fettsäcke und Seekühe – was ihr getan habt, war falsch. Und ihr wisst das auch. Wir wissen das auch. Denn ich zähle mich auch zu euch. Selbst wenn mich heute wesentlich weniger Menschen so bezeichnen würden. Es ist nämlich so: Wenn ihr euch nach langen Jahren der Fettleibigkeit um eine halbwegs angemessene Figur bemüht, dann bemerkt ihr wohl euren Fortschritt und freut euch über einen gewissen Erfolg. Eurer Geldbörse wird bewusst, dass ihr euch ständig kleinere Klamotten kaufen müsst und ihr könnt plötzlich Treppen steigen wie die Weltmeister. Ihr sackt reihenweise Komplimente ein und wisst nicht so recht damit umzugehen. Denn dafür hat euch noch nie jemand gelobt. Und jetzt kommt das Aber. Ihr selbst seht euch immer noch so fett wie ihr damals wart, als euch bewusst wurde, dass ihr was tun müsst. Ich sehe im Spiegel noch immer hundert Kilo unattraktives Lebendgewicht. Mein Kopf hat die Veränderung nie richtig nachvollzogen und mein früheres Bild hat sich auf meiner Netzhaut eingebrannt. Ein Umstand, der mich daran hindert, mit meinem Spiegelbild jemals zufrieden zu sein. Wir alle wissen, das Übergewicht einen Körper zugrunde richtet. Organe, Gelenke, bla, bla, bla... Ich sage euch, wie sehr unser offensichtlichstes Organ darunter leidet. Unsere liebe Haut. So unbegrenzt dehnbar wie sie scheinen mag, verzeiht sie uns trotzdem keine langfristigen Nachlässigkeiten. Verschiedene eurer Körperteile sehen nach dem Abnehmen aus, als wären sie von einer ausserirdischen Lebensform ausgesaugt worden. Ihr bekommt Reiterhosen, Schwabbel-Arme, Hängebrüste und einen Bauch, der euch mit seinem faltigen Antlitz verhöhnt. Plötzlich hängt alles, was vorher dank Fettpolster irgendwie straff wirkte. Auf einmal kaschiert ein eng anliegendes Outfit mehr, als ein weites. Und das Fitnesstraining bringt weder so rasch, noch so zuverlässig Erfolg, wie es uns Dauerwerbesendungen glauben machen wollen. Es ist nicht meine Art, anderen vorzuschreiben, wie sie ihr Dasein über die Runden zu bringen haben. Aber von dieser einen Sache habe ich nun wirklich Ahnung. Darum rate ich euch: Werdet niemals fett. Und wenn doch, dann entscheidet euch so bald wie möglich wieder dagegen. Denn die Dehnungsstreifen, die sich durch die Gewichtszunahme gebildet haben, ganz ehrlich, die werdet ihr niemals wieder los. Es sind Narben, die euch für den Rest des Lebens an eure mangelnde Disziplin erinnern.

2012/05/29

Leben in der Symmatrix

Seit uns Hollywood die sogenannte Wirklichkeit als Matrix beschrieben hat, gehen die Meinungen über Sein und Nichtsein auseinander. Für mich ist eine Art konstruierter Realität kein Hirngespinst, sondern Tatsache. Seit der Mensch entdeckt hat, dass die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten die Gerade ist, weicht die Willkür der Natur immer mehr dem unsichtbaren Gitternetz des menschlichen Strebens nach Einfachheit. Seit der rechte Winkel statische und optische Vorteile bringt, wird alles möglichst geradegebogen und in Kästchen verstaut. Wir alle arbeiten täglich daran, dass unsere Welt ein Stück ausgewogener, wohlgefälliger und besser erschlossen wird. Wer genau hinschaut, kann die Konstruktionslinien unseres Alltags erkennen. Scheinbar zufällige Anordnungen sind für unser Auge arrangiert und inszeniert. Essen wird nicht mehr gekocht, sondern Food wird designt. Der Stuhl verhält sich zum Tisch im goldenen Schnitt, damit wir uns beim Sitzen wohl fühlen. Die Shampooflasche steht nicht nur auf dem Boden, sondern auch auf dem Kopf. Willkommener Zufall? Nein. Nicht nur Parfüms werden aus verschiedenen Duftnoten komponiert, sondern auch der prestigeträchtige Neuwagengeruch oder Kreationen zur verkaufsfördernden Beduftung von Einkaufszentren. Tiere werden nach Standards gezüchtet - Obst und Gemüse sind genormt. Das Radio weckt uns am Morgen nicht mit Musik oder Moderation, sondern mit einer Morgensendung, die uns friedvoll in einen produktiven Tag geleiten soll. In der Zeitung steht geschrieben, worüber wir uns Gedanken machen sollen. Werbung, die uns gefällt, ist für uns gemacht – weil wir zur Zielgruppe gehören. Ergonomie, Symmetrie und psychologische Erhebungen bestimmen, was in unsere Hände gelangt. Die Existenz einer Art von Menschenhand geschaffener Matrix erscheint mir durchaus plausibel. Auch wenn wir noch so gerne undurchschaubare Individuen wären, so sind wir eigentlich doch nur Verbraucher und Anwender, die sich in einem Raster bewegen, der wie angegossen sitzt.

2012/03/23

Die Macht der Windel

Ich mache kein grosses Geheimnis daraus, dass mich Familienplanung befremdet. Das geht sogar so weit, dass ich Eltern nicht helfe, ihre Kinderwagen in öffentliche Verkehrsmittel zu hieven. Mir hilft schliesslich auch niemand, meine Lebensentscheidungen zu tragen. Aus sehr egoistischen Motiven kann ich auch keine besonders grosse Freude aufbringen, wenn sich mein Bekanntenkreis zur Fortpflanzung entscheidet. Nicht, weil ich Kinder nicht besonders mag, sondern weil ich viele Eltern nicht besonders mag. Viele Eltern sind quengeliger als ihre Kinder. Sie fokussieren sich schon fast in ungesunder Art und Weise auf ihre Nachkommen. Sie stellen sich selbst weit unter ihre Kinder oder definieren sich gar über die Entwicklung ihrer Sprösslinge. Sie finden keine Themen mehr, die sich nicht um die Aufzucht drehen. Vernünftige und intelligente Menschen verlieren die Gabe des klaren Denkens und begeistern sich auf einmal für Exkremente. Sie halten mit Essen beschmierte kleine Gesichter plötzlich für süss. Und sie sprechen in einer Sprache, die jeglichen Inhalt ausklammert. Dabei vergessen sie meiner Ansicht nach, dass ihr Kind irgendwann erwachsen sein wird und keinen Nutzen davon hat, dass die Entwicklung seiner Eltern bei der Geburt stehen geblieben ist. Mal ehrlich – das muss doch nicht sein. Ich sehe ein, dass ein Kind vieles verändert. Nahezu alles. Und genau daher rührt meine mangelnde Begeisterung. Meine Freunde und Bekannten verdienen meine Sympathie damit, dass sie so sind wie sie sind. Sobald sie ein Kind erwarten, setzen sie zum Blindflug für ihre eigene Persönlichkeit an. Niemand kann mir versprechen, nicht zu dieser unerträglichen Sorte von Eltern zu werden. Niemand kann mir versprechen, dass wir nach wie vor Gemeinsamkeiten oder einen kleinsten gemeinsamen Nenner haben werden. Deshalb ist die Geburt eines Kindes manchmal das eingeleitete Sterben einer freundschaftlichen Verbindung. Mütter und Väter denen es gelingt, sich selbst zu bleiben, verdienen meinen Respekt. Und ich mache ihnen das Geschenk der Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit, die sie bitter nötig haben, um sich selbst in dem ganzen Strudel von ist-es-nicht-süss und was-macht-es-denn-tut-tut-tut nicht nur noch als Elternteil zu sehen, sondern als eigenständige Persönlichkeit.

2012/02/29

Die Ex-Box. Ein Nachtrag.

Ich bin eigentlich keine Serientäterin. Und dennoch gibt es Themen, die zu verschiedenen Gedanken anregen und sich lohnen, ein zweites Mal aufgegriffen zu werden. So auch die Ex-Box. Die Überlegungen zu dieser mehr oder weniger sorgfältig verwahrten Kiste inspirieren gar zu neuen Geschäftsideen. Während die Ex-Box-Designerin sich um die passende liebevolle Hülle für die Fülle von Erinnerungsstücken kümmert, verwahrt die Ex-Box-Zentrale gegen entsprechendes Entgelt Kisten jeder Grösse anonym und sicher auf Lebzeiten in einem Schliessfach.

Heute ist mir bewusst, warum keiner meiner Verflossenen Geschenke von mir aufbewahrt. Ich schenke oft Bilder, die zu persönlich und zu sperrig sind, um sie nach dem Ende noch anzuschauen oder platzsparend zu verwahren. Meine Bilder sind meine Kinder und ich sehe sie lieber in einer Ecke meiner Wohnung als auf dem Müll. Deshalb nehme ich sie in Pflege, wenn die Zeit dafür gekommen ist.

Es existieren übrigens nach jeder Beziehung mehrere Ex-Jukeboxen. Besser bekannt als Anverwandte und Bekannte des früheren Partners. Man trifft sie unverhofft an und je nach Verhältnis und Entwicklung gefällt einem nicht, was aus ihrem Mund raus kommt. Viele von ihnen spielen dir das Lied vom Tod in einer Endlosschlaufe.

Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass ich auch eine Ex-Box habe. Sie ist klein, schwarz und pelzig. Eigentlich kam sie mir nie wie ein Erinnerungsstück vor. Sie lässt sich nirgendwo verstauen, sie miaut und läuft meistens auf vier Beinen – manchmal auch nur auf dreien. Ich habe zwar eine Katze, aber andere Menschen haben Ex-Boxen, die gerade erst lernen, auf zwei Beinen zu laufen oder die im Sommer eingeschult werden. Sie haben ein Gesicht und ein Wesen, das Züge des Ex-Partners annehmen kann und sie schaffen eine Verbindung zur Vergangenheit, die wohl stärker ist als manch einem lieb sein dürfte. Ich bin froh, dass mir diese Art der lebendigen Erinnerung erspart geblieben ist. Und ich geniesse die Zeit mit meiner Ex-Box, die sich auf meinen Bauch legt wenn’s mir schlecht geht und nur in seltenen Fällen auf meinen Teppich kotzt.

2012/02/25

Die Ex-Box

Einmal mehr bin ich von einem Kreis charmanter Damen auf ein interessantes Thema aufmerksam gemacht worden. Die Ex-Box. Eine Kiste mit Erinnerungen an vergangene Beziehungen. Eine Kiste, deren Inhalt nicht interessanter sein könnte. Kleine Geschenke, Fotos, Schmuckstücke, Partnerringe, Karten, Liebesbriefe, Herz und Schmerz. Man findet sie auf Dachböden oder in Kellern - gut versteckt oder griffbereit. Manche davon werden hin und wieder geöffnet – andere bleiben verschlossen und sind schon fast vergessen. Aber sie sind da. Als materieller Teil einer Biografie, den man nicht ungeschehen machen kann und auch nicht will. Mit Erinnerungsstücken wird unterschiedlich umgegangen. Ich kann mich an einen Mann erinnern, der nach der Trennung alle Geschenke zurückhaben wollte, die er mir gemacht hatte. Unter uns – kein grosser Verlust. Weder das eine noch das andere. Was er wohl mit den Sachen gemacht hat? Braucht er einen Ex-Schrank, wenn er neben seinen Erinnerungen auch noch die von seinen Partnerinnen verwaltet?
Die Ex-Box ist keine weibliche Erfindung. Ich kann mich an einen Nachmittag vor vielen Jahren erinnern, an dem ich mich fragte, was in dieser besonders schmucklosen und platzraubenden Kiste auf dem Kleiderschrank meines Partners sein könnte. Das gemeinsame Wohnen auf engem Raum schien mir Argument genug, den einen oder anderen Gegenstand in der Wohnung zu hinterfragen und zu öffnen. So fiel mir seine Ex-Box in die Hände, die den schmerzhaften Verlauf einer Fernbeziehung dokumentierte. Meine Englisch-Kenntnisse reichten aus, um meine eigene Beziehung mit demselben Mann neben diesen grossen Worten als klein und nichtig anzusehen. Und angesichts der Fotos fragte ich mich, ob er mit mir auch jemals so verliebt aussehen würde. Meine Reaktion auf diesen Fund könnte mitunter dafür verantwortlich zeichnen, dass der Betroffene später keine Aufbewahrung für Andenken an unsere gemeinsame Zeit angelegt hat.
Ich frage mich, ob noch irgendwo Hinterlassenschaften meiner früheren Verliebtheiten existieren. Ob ich auch in einem Karton gelandet bin, verstaube und doch niemals vergessen werde? Ich persönlich bewahre Erinnerungsstücke auf wie Tretminen. Keine Ahnung wo, aber ab und zu fetzen sie mir um die Ohren.
Es spricht nichts dagegen, eine Ex-Box zu haben um alle Relikte sicher und komprimiert zu archivieren. Aber man sollte sie gut versteckt aufbewahren. Im Herzen vielleicht.

2012/02/18

Wenn die Neue zur Gehirnschnecke wird

Es blieb mir bisher weitgehend erspart, die neuen Partnerinnen meiner Verflossenen kennen zu lernen. Allerdings habe ich mich auch nie wirklich dagegen gesträubt. Das ist so eine Sache, mit der man nicht recht etwas anzufangen weiss. Und dennoch: Solange ich der Meinung bin, mit meinen Ex-Partnern eine Art entfernter Freundschaft pflegen zu können, dann muss ich wohl mit der einen oder anderen Konfrontation rechnen. Dann allerdings ereignete sich etwas, womit ich nicht gerechnet hatte und womit auch keine Ex rechnen müsste. Es begann mit harmlosem Kommentieren und mit Fragen nach der Schlafapnoe meines ehemaligen Gefährten. Schon eher befremdlich, aber ich habe mich damit arrangiert und wie ich finde nett geantwortet. Ich wusste allerdings nicht, dass das von ihrer Seite heissen sollte, ich müsse den Kontakt zum erwähnten Gefahrenschläfer gänzlich unterbinden. Einige Wochen später wurde ich dann per Nachricht beschimpft. Ich unterliess es, zurückzuschimpfen. Aber mein Ex erhielt einen entsprechend lauten Anruf mit der deutlichen Aufforderung, meine Nummer zu löschen und seinen Rottweiler zurückzupfeifen. Ein schönes Leben wünsch ich noch, Nummer löschen, Verbindungen kappen, Ende. So schön war die Ruhe bis zu dem Tag, wo ich eine Nachricht von einer mir noch dunkel bekannten Nummer erhalte. Hat er sie also nicht gelöscht. Verdammt. Er wollte wissen, ob ich seiner Freundin eine böse Nachricht hätte zukommen lassen. Im ersten Moment war ich amüsiert. Im zweiten total angepisst. Wie kommen die beiden bloss auf die Idee, ich würde mich auch nur im Geringsten mit ihrer Person auseinander setzen? Wo ich doch meine Ruhe hatte. Wo ich doch mit ihm wie mit allen anderen abgeschlossen hatte. Wo mir doch noch so recht ist, wenn andere die vermeintlichen Perlen aus dem Dreck fischen, die ich vor die Säue geworfen hatte. Zugegeben, mich würde interessieren was in der Nachricht steht, die ich angeblich geschrieben haben sollte. Sie wäre bestimmt Zündstoff für einen nächsten Text. Aber ich habe nichts damit zu tun, was mir ein knappes „Entschuldigung“ einbrachte. Thema gegessen. Leider nein. Denn Madame erdreistete sich erneut, mich direkt zu kontaktieren, mich zu beschimpfen und mir eine Anzeige anzudrohen. Wo sie doch diejenige ist, die mich belästigt. Geschichten gibt’s, die wären selbst Hollywood zu schlecht um sie zu inszenieren. Zum Glück wurde ich davon abgehalten, mich noch weiter dazu herabzulassen. Noch eine Aufforderung, mich mit ihren Intrigen in Ruhe zu lassen, copy / paste an meinen Ex, löschen, löschen, blockieren, blockieren. Sie ist zwar seine neue Schnecke, sie saugt sich aber an meinem Gehirn fest. Wozu eigentlich? Wem soll das was bringen? Ist es ein Versuch, das Leben abenteuerlicher zu gestalten? Wo die Schilderungen her kommen, die die besagte junge Dame zu selbstgestrickten Feindbildern inspirieren, liegt auf der Hand. Schliesslich gibt es nur einen gemeinsamen Bekannten. Und somit einen Grund mehr, warum ich diesen nicht unbedingt weiterempfehlen kann. Insbesondere nicht dieser Gattung Frauen, die es so schon schwer hat, zu vertrauen.

2012/01/31

Das Bermudadreieck des guten Geschmacks

Die Hochzeitsmesse. Ich war der Meinung, diese Veranstaltung würde mir reihenweise genötigte Männer zeigen, die verängstigt auf einer Welle von Tüll und Marzipan dahin treiben und ihren starren Blick auf den rettenden Notausgang richten. Weit gefehlt. Ich war überrascht wie weit. Aber dazu später mehr.
Nochmals zum Mitschreiben für alle Gerüchteköche: Ich habe nicht vor zu heiraten. Ich habe mich lediglich für ein Mal ins Getümmel von Heiratswilligen gestürzt, um sie zu beobachten. Allein der Umstand, dass man im heiratsfähigen Alter eine Hochzeitsmesse besucht, macht einem zur Zielscheibe der mehr als dreist agierenden Aussteller. Zwar bereitet man sich angemessen darauf vor, diverse ungewollte Anträge zu bekommen, aber es ist unmöglich das Grauen im Vorfeld in seiner Ganzheit zu erfassen. Für eine erste optische Irritation sorgt der pinke Stretch-Hummer, der frisch poliert am Eingang steht und einem auf subtile Art und Weise dazu animiert, auf dem Absatz Kehrt zu machen. Man schleicht sich vorbei an den Damen, die nach dem geplanten Hochzeitsdatum fragen und schon ergiesst sich eine Flut aus Drucksachen über das kleine unschuldige Herz, das ausnahmsweise vorgibt, jemand anderes zu sein. Braut-Magazine, ganze Bücher mit Adressen, Prospekte, Broschüren. Es wird davon ausgegangen, dass ich etwas will. Man nimmt also an, dass ich auftoupierte Brautmode genauso schätze wie zweitklassige Videoproduktionen, kitschige Fotoalben und verschnörkelte glitzernde Trauringe. Und obwohl ich die aufdringlichen Fragen verneine, wird mir eine Visitenkarte in die freie Hand gedrückt und auf eine grössere Broschüre einen Stand weiter noch eine kleinere obendrauf gepackt. Als ungeahnt schwierig entpuppt sich der Versuch, sich an der Ausstellfläche eines DJ-Konsortiums vorbeizumogeln. Ich werde gebremst und sehe mich im Nu in ein Gespräch verwickelt, in dem ich eigentlich der geschätzte potenzielle Kunde sein sollte und mich als angeschnauztes „Du“ wieder finde. Die Kür der Veranstaltung bestreitet eine Aneinanderreihung von wenig innovativer Hochzeitsgarderobe mit einem eingeschobenen Auftritt von fünf tanzenden Damen im Glitzerfummel. Quasi als Blick durchs Schlüsselloch eines gesitteten Junggesellenabschieds.

Ich hatte mir ursprünglich vorgenommen „männliches Verhalten in Stress-Situationen“ zu beobachten. Leider habe ich kaum welches gefunden. Ich bin davon ausgegangen, dass zukünftige Ehemänner mit psychischer und physischer Gewalt zu derartigen Veranstaltungen bewegt werden. Aber die vor Ort beobachteten Exemplare machten einen relativ entspannten und zufriedenen – wenn auch teilweise gelangweilten - Eindruck. Hochzeitsmessen scheinen auf Männer sogar eine besänftigende und versöhnende Wirkung zu haben. Oder wie erkläre ich mir sonst, dass mein Liebster auf einmal Ringe anprobiert?

2012/01/09

Für das Böse im Mann

Jeder Kerl hat einen Kumpel, in dessen Gesellschaft seine verborgenen Seiten zum Vorschein kommen. Einen, der aus einem ruhigen Denker einen denkbar unruhigen Draufgänger macht. Einen, der einen intelligenten Mann in einen kleinen Jungen verwandelt, der sich Regenwürmer in die Nase stopft, um sich einen Platz im Rudel zu sichern. Selbst wenn du denkst, dass du deinen Partner kennst: Urteile nicht, bevor du ihn in Gegenwart dieses einen besonderen Freundes erlebt hast.

Ein Zusammentreffen der beiden Männer verläuft in der Regel wie eine beliebige Folge von „Alarm für Cobra 11“: Wenig anspruchsvolle Dialoge, ein dürftiger Handlungsstrang und am Ende kommt ein riesen Haufen Schrott dabei raus. Verschiedene Anzeichen deuten darauf hin, dass dies der eine Kumpel ist, der dem Partner nicht gut tut. Der Sprachgebrauch verändert sich beträchtlich. Aus Frauen werden „Weiber“ und aus einer attraktiven Frau „haste die geile Alte gesehen“. Das mühsam über Jahre erarbeitete Niveau trudelt in einem Sog von Alkoholeinheiten und dummen Sprüchen in die Tiefe. Es wird getuschelt und gekichert. Alles, was besonders dämlich klingt, ist ein „Insider“ und alle anderen sowieso zu doof um was zu begreifen. Irgendwann ist man als Betrachter nur noch froh, dass der böse Junge den guten nicht anspornt, sein bestes Stück im Auspuff eines davonfahrenden Wagens zu parken. Denn, er würde es tun. Es ist ein mittlerer bis grober Fehler, das veränderte Verhalten anzusprechen. Häufige Ausreden sind: Er hat’s gerade nicht besonders leicht. Er braucht mich jetzt. Er ist ein guter Freund und wir sehen uns doch so selten. Ganz ehrlich – keine davon ist wahr und keine davon eine ausreichende Rechtfertigung.

Meine Damen, ich kann verstehen wenn euch dieser besondere Freund dazu bringt, einige Seiten an eurem Partner in Frage zu stellen. Aber jeder Mann hat dieses eine männliche Gegenstück, das ihn mit ein paar lockeren Sprüchen zu den grössten Dummheiten verleitet. Ich empfehle euch, Milde und dezentes Kopfschütteln walten zu lassen. Wenn ihr einen Abend voller Peinlichkeiten in Gesellschaft dieses einen bockshufigen und dreizackschwingenden Zeitgenossen und eurem bis zur Unkenntlichkeit veränderten Liebsten überlebt, dann hat eure Beziehung eine reelle Chance.