Gefällt dir DAS SARS?

Dann gefällt es dir auch auf Facebook.

2010/10/07

Byebye Moppelhausen Vol. I

Körpergewicht ist relativ. Relativ wichtig für Gesundheit und Wohlbefinden. Ich hätte mir auch nie zugetraut, dass ich mal so was schreibe. Ich gehörte eigentlich immer zu den Dicken. Ich war nicht dick aus Überzeugung, sondern aus mangelndem Verständnis für mich selbst. In fast 30 Lebensjahren hatte ich mir gut 30 Kilo Schutzwall angefressen. Eine Hülle gegen Liebeskummer, Schmerz, Verlustängste, Selbst- und Fremdkritik, das Alleinsein, das Zusammensein, zuwenig Aufmerksamkeit – einfach gegen alles. Bald diente die Hülle auch als Schutz vor den Vorurteilen, mit denen man mir erst durch die Hülle selbst begegnete. Ich tröstete mich immer damit, dass in mir drin ein schlanker Mensch wohnt. Die perfekte Selbsttäuschung wurde unterstützt durch das Vermeiden von Blicken in bodenlange Spiegel und die Anwendung einigermassen passender Kleidung. Und - ganz ehrlich – ab einem gewissen Brustumfang ist Frau nicht mehr gezwungen, sich mit einem Körper unterhalb der Körbchen zu befassen. Sich selbst richtig einzuschätzen ist eine Kunst. Auch wenn’s ums Äussere geht. Viele Jahre habe ich mit Menschen über mein Gewicht und mein Aussehen gesprochen. Ich habe mich damit nie wohl gefühlt, hielt es aber dennoch für angebracht, auch diese Probleme in mich hinein zu fressen. Und Menschen, die einem mögen oder sogar lieben können nie der Auslöser für eine Veränderung sein. Denn sie lieben einem so wie man ist – oder zumindest so, wie sie einem kennen gelernt haben. Es können nur jene aufrütteln, die mit dem oberflächlichen Blick eines Aussenstehenden betrachten. Die Zeit war gekommen. Kurz vor dem Dreissigsten macht man sich so seine Gedanken. Ausserdem hatte ich gerade mit einer neuen Beruflichen Herausforderung Kurs auf fremde Ufer genommen. Ich wollte nicht mehr länger damit leben, dass mich andere aufgrund des ersten Eindrucks beurteilen und kategorisieren. Man hat nie die Zeit einen ersten Eindruck zu korrigieren und noch seltener die Zeit, darauf zu warten dass unter der dicken Hülle die wunderbare Persönlichkeit ausgegraben wird. Ich wollte ebenbürtig sein und nicht länger als die kleine Dicke gelten, die eigentlich noch ganz nett, lustig und auch nicht gerade auf den Kopf gefallen ist. Der Input, meinen Arsch zu bewegen kam zur richtigen Zeit vom richtigen Menschen. Von einem, der seit er mich kannte grosse und berechtigte Zweifel an meiner Attraktivität hatte und sich nur im Suff mit mir unterhalten konnte. Heute bin ich ihm dankbar für seine Eitelkeit und dafür, dass er selten einen Widerspruch zulässt. So wurde ich förmlich ins Fitness-Studio gerollt und sah auf einmal keinen Grund mehr, nicht zu tun was alle anderen dort taten. Schwitzen, keuchen und Kalorien verbrennen. Natürlich stellte ich mich an wie eine Anfängerin. Ich war auch eine. Und ich hatte riesige Probleme, mich drei Mal die Woche unter die mehr oder weniger sportlichen Figuren zu mischen und eine schlechte Figur zu machen. Aber irgendwie bin ich konsequent geblieben. Und das bin ich selten. Die Veränderung hat mir gezeigt, dass manche Ziele gar nicht so weit entfernt sind und in Gottes Namen nun mal etwas Anstrengung verlangen. Bis heute haben 22 meiner überflüssigen Kilos den Hut genommen. Ich bin deswegen noch lange nicht schlank. Aber der Gedanke daran, jede Sekunde einen 22-Kilo-Rucksack mit mir herumtragen zu müssen, motiviert eine bequeme Person wie mich erst recht, weiterzumachen. Zugegeben, ich schwitze immer noch wie ein Spanferkel beim Ausdauertraining. Aber mir dabei zuzuschauen ist schliesslich auch freiwillig.

Als Credo für alle Gewichtsreduktionswilligen empfehle ich folgende platten Sprüche aus Musik und Werbung:

Sei dein eigener Held.
Mach es zu deinem Projekt.

Ein fast perfektes Paar

Gemeinsam waren wir wunderbar. Ich würde sogar sagen, dass wir ein Vorbild für viele hätten sein können. Wir hatten viel Spass, einen ähnlichen Humor, haben uns gut verstanden, uns gerne zugehört, gemeinsam gelacht und von Anfang an auch Tiefpunkte zusammen überwunden. Ich wurde auf Händen getragen und fühlte mich glücklich wie selten zuvor. Alles war wie im Märchen mit dicker rosa Zuckerglasur und ein glücklicher Tag führte zum nächsten noch glücklicheren. Einen Alltag gab es nicht und immer wieder wurde ich überrascht von neuen positiven Wendungen. Obwohl wir aus verschiedenen Welten kamen, stellten wir uns nie in Frage und waren der Meinung, alles könnte ewig so weitergehen und im schlimmsten Fall nur noch schöner werden. Wie im Märchen. Und Märchen sind nicht wahr. Es gibt sie nicht und sie werden nie zur Realität. Märchen sind das, was sich die Menschen ausdenken um ihre Sehnsüchte auf ein Podest zu heben, das sie nie erreichen werden. Schliesslich war es auch die Unwahrheit, die mich aus zwei starken Händen wieder auf einen kalten und harten Boden zurückholte. Dinge, die lange unter der freundlichen und liebevollen Oberfläche verborgen lagen und auf einmal ausgesprochen wurden. Es schadet nicht, sich einiger Fehler seines Gegenübers bewusst zu sein. Dennoch kann zuviel Wissen alles ins Wanken bringen. Man stellt sich Grundsatzfragen, fühlt sich getäuscht und vermisst die Reue, die Sünder zu besseren Menschen machen könnte. Ich fing an, meine Fehler gegen seine abzuwägen und fühlte, wie die Waagschale kippte. Es war zuviel gewesen. Zu viel märchenhaftes, verzaubertes, unbeschwertes Dahintreiben auf einer fehlerfreien Wolke. Zu viel Vertrauen, zu viel Zuversicht, zu viel Glauben an das Gute im Menschen und daran, dass jeder zu einer wesentlichen Veränderung fähig ist. Ich hatte mich selbst hinters Licht geführt. Ich hatte mir vorgemacht, die Gegenwart und das was noch sein könnte, mache mich stark genug um über Vergangenes hinweg zu sehen. So war es nicht. Und alles zerplatzte schmerzhaft und im Vakuum einer unbarmherzigen Zeitlupe. Denn nichts zerstört eine glücklich gelebte Unwahrheit so wie die Wahrheit.