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2009/03/13

Dem Namen nach

Der Donnerstag kostet immer was. Seit ich denken kann, kostet mich der Donnerstag mehr Zeit, Geld, Nerven und Überwindung als jeder andere Tag der Woche. Diesmal waren’s 75.- und eine Viertelstunde. In meinem Fall kriegt man dafür die Erlaubnis, einen Nachnamen - den man schon mal kostenlos mit der Geburt erworben hatte - wieder zu führen. An diesem überaus durchschnittlichen Donnerstagnachmittag begebe ich mich also aufs Zivilstandsamt meines Amtsbezirkes. Ein Ort, wo sonst viele Menschen paarweise aufmarschieren. Sie kommen konkubiniert und gehen verehelicht. Ich nicht. Ich komme, bleibe eine Viertelstunde und gehe wieder. Die Viertelstunde beginnt mit der Begrüssung durch eine eulenhafte Beamtin, die mich mit meinem durch Heirat erworbenen Namen anspricht. Sie krallt sich meine Ausweispapiere und mein Scheidungsurteil und verschwindet hinter einem Bildschirm, der sich in ihrer Brille spiegelt. Sie ist ein Freak. Von ihr verheiratet zu werden muss sich anfühlen wie eine Mischung aus Waldweihnachten und Teenie-Horror-Streifen. Eule.
Ich setze mich an einen kleinen runden Tisch, wo zwei Tageszeitungen und ein Wochenblatt liegen. Ich nehme mir das Wochenblatt und blättere darin. Wochenblätter sind mir lieber. Die haben mehr Distanz zur Schnellebigkeit. Die haben Zeit, um Informationen zu verarbeiten und zu filtern. Wochenblätter sind was tolles. Ich blättere von hinten nach vorne und bleibe an der Fotoseite des Regionalspitals hängen, wo sämtliche Neugeborenen der letzten zwei Monate mit Bild und Namen aufgeführt sind. Diesmal schenke ich den Nachnamen mehr Beachtung als sonst. Ich finde gerade mal Zeit um zu entscheiden, welche Babys ein schweres Los mit ihrem Namen haben werden. Die übliche Einteilung in die Süss- und die Hackfressen-Sparte wird vom Andackeln der Eule unterbrochen. Sie bittet mich, ein Formular mit meinen Personalien zu überprüfen und ich unterzeichne mein Einverständnis zur Namensänderung – mit meinem neuen Ex-Namen. Da steht es und starrt mir ins Gesicht: Das „da war doch noch was“-Gefühl, das einem beschleicht wenn man einen entscheidenden Punkt an einer Sache übersehen hatte. Die Unterschrift! Ich erinnere mich gut, wie ich Wochen vor der Hochzeit eine neue Unterschrift mit meinem zukünftigen Namen ausgetüftelt hatte. Die musste was hermachen. Schliesslich muss man auf dem Standesamt bereits mit dem neuen Namen unterschreiben. Unglaublich viele Bilder und Gedanken rasen an mir vorbei. Das ist doch nicht rechtens! Da verlangen die von einem, bereits mit dem neuen Namen zu unterschreiben, wo man diese Lebensentscheidung doch unter dem alten getroffen hatte. Ein so frisch neu benannter Verstand ist doch noch nicht urteilsfähig! Genau das ist die verfluchte Lücke in diesem System!!! Man ist in diesem Moment der Unterzeichnung mit einem neuen Namen nicht Herr seiner Selbst. Noch nicht! Es sind Sekundenbruchteile, in denen mir dies bewusst wird und ich schlucke meine Erkenntnis herunter, um die Eule nicht mit einem verachtenden Blick zu strafen. Sie sagt mir, dass das fünfundsiebzig Franken mache und noch mal fünfundzwanzig, wenn ich eine schriftliche Bestätigung bräuchte. Ich lehne dankend ab, zahle hundert, bekomme fünfundzwanzig und einen blau bedruckten Kassabon zurück, nehme meine Papiere wieder an mich, verabschiede mich und gehe. Diesmal gibt’s kein übertriebenes Händeschütteln, keine Glückwünsche, kein Ringkissen und keinen Blumenstrauss. Auf dem Weg zur Tür hallt mir das „auf wiedersehen Frau Baur“ nach. Na sieh mal einer an. Für den stattlichen Stundenlohn der Zivilstandsbeamtin ist sogar eine angepasste Verabschiedung drin. Auf dem Weg zum Wagen stelle ich mir kurz eine mögliche neue Unterschrift vor und verwerfe sie wieder, weil sie mir schon in Gedanken nicht gefällt. Auf der Heimfahrt überlege ich mir, welcher Nachname in meiner Todesanzeige stünde, wenn ich jetzt – genau jetzt – in den vor mir fahrenden pinken Betonmischer krachen würde.