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2009/08/09

Im Fortpflanzungskarussell der Endzwanziger

Ich bin bekannt dafür, mir Sorgen zu machen, die ich nicht habe. Aber diesmal möchte ich Sorgen ansprechen die ich nur habe, weil andere Menschen sie mir machen.
Ich schätze, mein Alter ist das rote Tuch für den unaufhörlich auf mich niederprasselnden Fragenhagel, der sich um die Thematik der Fortpflanzung dreht. Weil ich mich in einer mittlerweile - doch für die heutige Zeit stattlichen - zweijährigen Beziehung befinde, geht mein Umfeld von einer gefestigten Konstellation aus, die eine Reproduktion rechtfertigen soll. Alle erwarten ein Patenkind, einen Enkel oder ein kleines Ebenbild des besten Freundes. Was ich oder wir erwarten und dass das in diesem Falle gar nichts ist, wird gar nicht erst als ernsthafter Themenbeitrag gewertet. Die Erwartungshaltung von Familie und Freunden übersteigt unsere eigene um Längen. Dass die wiederkehrenden Diskussionen meist von Menschen ausgehen, die ihre eigene lieblose Beziehung mit Nachwuchs zu tunen versuchen, macht mich besonders sprachlos. Dass Paare, die sich noch kaum mehr körperlich voneinander angezogen fühlen, sich ausgerechnet der Zeugung eines Nachkommens bedienen um Zerrüttetes zu kitten, erscheint mir mehr als paradox. Ist Kinderhaben die neue Alternative für Heiratsunwillige? Sind Kinder das moderne Beziehungsdruckmittel? Oder handelt es sich bei der selbstauferlegten Zwangsvermehrung gar um eine Bindungs-Pandemie, die auf einem altersbedingten Virusbefall basiert? Sind die ganzen Kinder, die nicht aus Liebe sondern aus Hoffnung gezeugt werden, allesamt ein Produkt der eben selben Erwartungshaltung der Gesellschaft, die mir zu schaffen macht? Im selben Atemzug drängt sich die Frage auf: ist denn das etwas Gutes? Ist es schön und richtig ein Wesen zu erschaffen und die damit verbundene Verantwortung zu übernehmen, wenn es nicht aus freiem Willen geschieht?
Ich war der meinung, dass die heutige Zeit gerade mit weiblichen Mitmenschen wesentlich liberaler umgeht als während der langen Epochen der Frau am Herd. Weit gefehlt. Denn heute besteht eine Art Gegenzwang, der – sind wir nicht gewillt unseren Uterus zu verpfänden – noch ganz anderes von uns erwartet. Wenn du schon kein Kind hast, so musst du wenigstens beruflich erfolgreich sein. Nichts anderes als das rechtfertigt ein Ausscheiden aus dem klassischen Familienkarussell. Du musst mindestens etwas mit deinem Leben tun, was die Unabhängigkeit der Kinderlosigkeit zwingend notwendig macht. Ansonsten siehst du dich ständig mit denselben Fragen konfrontiert. Du kannst eine intakte Beziehung mit dir selbst und einem Partner führen, glücklich damit sein und Dinge verwirklichen und erreichen, die dir Freude bereiten. Das alles zählt für dein Umfeld absolut nicht, solange du dir nicht die Bürde der Aufzucht auferlegst und dich so für mindestens zwanzig Jahre an den Fortbestand eines geregelten Lebens kettest.