Gefällt dir DAS SARS?

Dann gefällt es dir auch auf Facebook.

2012/10/17

Der ganz normale Wahnsinn

Ich verstehe mich gut mit Menschen, die sich schlecht mit dem Leben verstehen. Für mich ist es normal, an sich selbst und allem um uns herum zu zweifeln. Jeden Tag geschehen so viele Dinge, die man ganz einfach nicht glauben kann und mit denen man sich nicht abfinden will. Bei sich selbst, in der Familie, im Freundeskreis – es verbirgt sich so viel Leid und Unsicherheit in allem Tun und Lassen. Ganz zu schweigen vom Rest der Welt, deren Probleme einem stündlich um die Ohren gehauen werden wie das hundert Mal durchgeblätterte Drehbuch eines schlechten Films. So oft denke ich, dass das alles gar nicht wahr sein kann. Dann wird es Zeit, dass ich mich wieder egozentriere und die Treppe vor der kümmerlich kleinen und finsteren Behausung meines Daseins kehre, damit ich mir selbst glaube, dass zumindest von aussen alles in Ordnung zu sein scheint. So betrüge ich seit Jahren meine Angst vor dem Leben mit der Berauschung an kleinen Nichtigkeiten, die mich von dem ablenken, was mich beschäftigen sollte. Ist es Fluch oder Segen, dass dies nicht alle können? Es gibt Menschen, die die Last der ganzen Welt auf ihren Schultern tragen und dabei oft straucheln und hinfallen. Es gibt Menschen, deren innere Welt so gross ist, dass sie dem eigenen Glück jeglichen Raum raubt, den es zum Gedeihen bräuchte. Menschen, die glauben, dass sie deshalb nicht normal seien, weil weder ihr Urinstinkt noch ihre Anpassungsfähigkeit genügend ausgeprägt sind, um sich einfach nur zu fügen. Könnte es nicht sein, dass gerade diese Menschen absolut normal auf das reagieren, was um sie herum und mit ihnen geschieht? Vielleicht ist es das Material aus dem wir geschaffen sind, das uns zeigt, wie verwundbar und vergänglich wir sind und uns den Sinn des Daseins immer wieder hinterfragen lässt. Wir Menschen kommen eben nicht zur Welt wie ein Stein, der vom Wasser des Lebens geschliffen wird, bis er makellos ist. Viel eher kommen wir auf diese Welt wie ein glattes Stück Holz, das im Laufe der Jahre Kerben erhält. Schwache und tiefe. Manches an uns wird durch das Leben noch glatter und biegsamer, aber wir haben auch spröde Stellen und Risse, an denen wir manchmal zu zerbrechen drohen. Wenn die Erfahrung schmerzhaft auf uns einpeitscht wie ein Meissel, dann entdecken wir kleine Fehler und Äste im Inneren, die uns unschön erscheinen. Aber am Ende sind es genau diese Fehler, die uns durchwachsen und unsere wahre Stärke ausmachen.

2012/10/10

Das erste Mal

Kompliziert, emotional, verkrampft und ungeheuer schmerzhaft. So ist mein erstes Mal. Präsens. Das erste Mal, dass nicht ich es bin, die einen Schlussstrich unter einen Haufen Probleme und Gegensätzlichkeiten zieht und geht. Das erste Mal, dass ich verlassen werde. Ein erstes Mal, das scheinbar noch ewig dauern wird, weil ich nicht glauben kann, dass das schon alles war. Weil Herz und Verstand hinterher hinken wie die gehbehinderten Geschwister des Bewusstseins. Verlassen wird man nicht mit dem letzten Kuss, dem letzten Blick oder dem letzten Mal, wenn der rostige grüne Flitzer aus der Einfahrt auf die Strasse biegt. Verlassen wird man so lange, bis der letzte Funken Hoffnung in einem Meer von Schmerz erlischt und sich eine Eiskruste auf erkalteten Gefühlen bildet. Und so weit bin ich noch lange nicht. Es ist leichter, selber der Bösewicht zu sein, eine Beziehung zu beenden und den schwarzen Peter und die Arschkarte zu spielen. Am Ende sind dies die Trümpfe, mit denen man sich seine Freiheit erkauft. Aber mein erstes Mal gleicht keinem Spiel. Es gleicht einer Achterbahnfahrt – vom behutsamen Einstieg bis zur tränenreichen Talfahrt. Fast glaubt man, man würde mit gemeinsamen Erinnerungen die Kurve kriegen und schon wird man vom freien Fall des Verlustes in die Tiefe gerissen. Mein erstes Mal. Und niemand fragt mich hinterher, ob es schön für mich war. Ich hätte es kommen sehen sollen. Aber mein Blick war getrübt von blindem Vertrauen in eine Zukunft, die es nie gegeben hat.

2012/10/04

Touring Club Schweiz: Wir schleppen Sie auch ab!

Falschparken ist schlecht fürs Karma. Diese Erfahrung habe ich vor einiger Zeit beim mehrmaligen widerrechtlichen Abstellen meines Autos gemacht. Es war Freitagabend. Der Abend eines ersten Treffens mit einem – wie sich herausstellte hübschen und intelligenten – jungen Mann. Noch zehn Minuten bis zum Treffen und mein Auto wollte nicht anspringen. Verdammt! Zwei Wochen nachdem mich auf dem selben unseligen Parkplatz ein Rentner um „Sexspielchen“ gebeten hatte*, stand ich nun also da mit meinem unbeweglichen Altmänner-Kombi und war gezwungen, mein Treffen telefonisch abzusagen. Der junge Mann zeigte wider erwarten Verständnis und gesteigertes Interesse an Autos. Aber auch er kriegte meinen breitärschig-amerikanischen Wagen nicht in die Gänge. Unter der Bedingung, dass er mich später wieder zu meinem Auto zurückbringen würde, liess ich mich auf ein Bier mitnehmen. Ein angeregtes Gespräch später stand ich wieder auf dem Parkplatz und kontaktierte den Pannendienst meines Vertrauens: TCS. Bitte haben Sie Geduld...bis zu einer Dreiviertelstunde...warten...jaja...danke. Der junge Mann war noch immer mit von der Partie und bot mir an, im nahe gelegenen Restaurant mit mir zu warten. Getränk bestellt, kurz daran genippt – Handyklingeln. Ich bin da, wo sind Sie? Das ging ja schnell. Ich liess meine Verabredung vorübergehend im Warmen sitzen und kämpfte mich durch die Dunkelheit zum Parkplatz, wo in der Zwischenzeit ein gelbes Pannenfahrzeug vor meinem Auto positioniert worden war. Ein kahlköpfiger untersetzter TCS-Mann nahm mich in Empfang, meinte, dass alles nicht so schlimm sei, klopfte mit dem Hammer ein paar Mal an den Tank meines Fords und dieser fing wieder an zu schnurren. Fein, dankeschön! Ich deutete auf das Gebäude hinter mir. Eigentlich trink ich da gerade was. Springt mein Auto in einer halben Stunde auch noch mal an? Das werden Sie dann sehen, sonst rufen Sie mich wieder an, meinte der pausbäckige Pannenhelfer. Er füllte ein Formular aus, ich gab bereitwillig meine Personalien preis und er wurde dabei merklich netter. Ich weiss gar nicht, ob Sie meine neue Adresse schon haben, gab ich schuldbewusst zu. Ach, Sie sind umgezogen? Wo haben Sie denn vorher gewohnt? Lützelflüh. Dort ist es doch schön – warum zeiht man von da weg? Lebensumstände...Trennung...so was halt...also, meine neue Adresse... Ich diktierte, er kritzelte und schmunzelte. Eigentlich brauche ich Ihre Adresse nicht. Es sei denn, ich soll mal auf einen Kaffee bei Ihnen vorbei kommen. Zwei Glubschaugen kreuzten meinen irritierten Blick. Schon streckte er mir seine rechte Pranke entgegen...“Sämu“. Ich erwiderte reflexartig seinen Händedruck...Sarah...brauchen Sie...ehm du dann noch was von mir, oder kann ich dann wieder...? Grinsen von seiner Seite. Und wenn mein Auto nachher wieder nicht anspringt? Dann rufst du mich an. Scherzkeks, dachte ich. Ich ruf ja ohnehin bei der Zentrale an und die werden mir den zuteilen, der gerade in der Nähe ist. Ich verabschiedete mich, hörte noch sein hoffnungsvolles „Bis bald?“, als ich bereits wieder ein paar Schritte in Richtung Rendezvous gegangen war. Ich schüttelte den Kopf und fragte mich, ob ich wirklich gerade von dem Kerl angegraben worden war. War mein Outfit zu gewagt? War ich zu nett gewesen und zu freigiebig mit persönlichen Informationen umgegangen? Kann doch nicht sein. Da überweise ich brav meine Mitgliedschafts-Beiträge und wenn ich mal eine Dienstleistung in Anspruch nehme, dann wird meine Notsituation ausgenutzt? Nein, kann nicht sein. Zurück im Warmen nahm ich Platz, setzte mein Gegenüber davon in Kenntnis, dass mein Untersatz wieder fahrbar wäre und konnte mir eine Bemerkung nicht verkneifen. Ich glaube, ich wurde gerade angegraben. Nach weiterer Konversation fand ich mich einige Zeit später mit dem netten jungen Mann auf dem Parkplatz, den ich später meiden würde wie einen alten Indianerfriedhof, wieder. Was war das? Da klemmte doch ein Zettel an meiner Scheibe. Ein Zettel, der sich im fahlen Licht der Innenraum-Beleuchtung als TCS-Visitenkarte zu erkennen gab. Darauf standen eine kurze Nachricht und eine Handynummer. „Wenn’s wieder nicht geht... Sämu“. Also doch angegraben. Tatsächlich. Nachdem ich schon meinen persönlichen Körpertherapeuten, Sunrise-Berater und Busfahrer hatte, stand nun mein persönlicher Pannenhelfer scharrend auf der Matte. Igitt! Ich konnte es dann doch nicht lassen, meinem Begleiter mit der Karte vor dem Gesicht rumzuwedeln. Besagten „Sämu“ sehe ich heute noch ab und zu in der Nähe von stillstehenden Autos. Und mache einen möglichst grossen Bogen um ihn und jede weitere Panne. Allerdings scheint etwas Konkurrenz nicht zu schaden. Der junge Mann, den ich an diesem Abend zum ersten Mal traf, wurde etwas später zu meinem persönlichen...sagen wir mal „Superuser“. *Muss ich erwähnen, dass ich wütend abgelehnt und ihn fast über den Haufen gefahren habe? Nein.