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2010/08/12

Zwischenmenschlicher Materialismus

Wie schwer wiegen eine Zahnbürste und ein Wohnungsschlüssel? Es ist bestimmt ein Leichtes, dies in Gramm auszudrücken. Etwas weniger leicht, wenn der Wohnungsschlüssel in Einheit mit Haustür-, Einstellhallen- und Briefkastenschlüssel übergeben wird. Full Access also. Aber warum? Gewiss in erster Linie aus praktischen Erwägungen. Und vielleicht sogar als eine Art Vertrauensbeweis.
Aber Zäumen wir das Pferd an der Zahnbürste auf. Denn Letztere war noch vor Huhn und Ei da und stand schon damals im krassen Kontrast zu den ursprünglichen Vorstellungen meines Gegenübers. Wie ich dachte waren dies Unverbindlichkeit und emotionale Distanz. Umso mehr erstaunte mich, dass ich förmlich dazu überredet wurde, meine Spuren in seinem Alltag zu hinterlassen. Also nahm ich die pinke Zahnbürste für meine Mädchenzähne dankend an. Ein weiterer materieller Austausch manifestierte sich in einem eher femininen Armreif, der seit Wochen über dem ausgefransten Rock’n’Roll-Tattoo an einem behaarten Männerarm hin und her klimpert. Ich habe seither ein Accessoire weniger und wenn ich nach der Bedeutung dieses einseitigen Tauschgeschäfts frage, erhalte ich ein Wort zur Antwort. Nähe. Auch dies ist an ein Bedürfnis geknüpft, das ich nicht habe kommen sehen.
Aufgrund widriger Umstände wie der mangelnden Präsenz eines Türöffners und legaler Parkmöglichkeiten in der näheren Umgebung, hat der oben beschriebene Schlüsselbund zumindest temporär seinen Besitzer gewechselt. Erst tage- und gelegenheitsweise, dann eine Woche und heute weiss ich noch nicht mal mehr, ob mich hinter der Tür jemand erwartet oder Mann sich in seiner Verspätung darauf beruft, dass ich schliesslich ein und aus gehen kann wie ich möchte. Eine Art der Selbstverständlichkeit, wie es sie sonst nur gibt wenn man zusammen wohnt. Und meinen Erfahrungen zufolge ist es die Art der Selbstverständlichkeit, die die gesamte Spannung der Freiwilligkeit in ihrem grauenvollen Schlund verschlingt, durchkaut und wieder ausspuckt.

Ich war im Deuten verschlüsselter Gesten noch nie besonders gut. Oder zumindest habe ich in den meisten Fällen die falschen Schlüsse daraus gezogen. Aber ich fürchte, dass mich die Dinge wie sie sind in die Richtung einer Frage drängen, die ich weder morgen noch in einem halben Jahr stellen möchte. Die dumme, verzweifelte und alles zerstörende Frage: Wo soll das eigentlich hinführen?